Ein Berliner Designer
Ein Berliner Designer

Prof. Uwe Loesch über Jianping He

Jìn zhū zhě chì, jìn mò zhě hēi. 近朱者赤,近墨者黑。

In der Nähe von Zinnober wird man rot,
in der Nähe von Tusche wird man schwarz.

(Chinesisches Sprichwort) 

Die listenreichen Arbeiten von Jianping He werden gern als Synthese von Ost und West kolportiert. Nehmen wir einmal an, dass Jianping He, der Hin- und Herreisende, gar kein Vermittler zwischen Ost und West, Tradition und Fortschritt, Kitsch und Kunst, Verlust und Angst sein will. Nicht als Gestalter, Herausgeber und Verleger erfindungsreicher Bücher. Und auch nicht als international ausgezeichneter Plakatkünstler. Statt dessen sollten wir ihm zumuten, dass er einzigartig ist. Gleichermaßen in Hangzhou, wie in Berlin zuhause, lebt er in einem kulturellem Zwischenraum. Dort stellt er chinesische und deutsche Tugenden infrage, während er gestalterisch gleichzeitig auf allen Hochzeiten tanzt.

Jianping He pendelt zwischen Kunst und Kunsthandwerk, zwischen Sein und Design. Wann und wo er Rot oder Schwarz sieht und wie diese Ansichten auf ihn abfärben, bleibt demonstrativ unscharf. Mindestens drei seiner Arbeiten überblenden den schönen Schein dekorativer Ansprüche. Zwei davon sind geradezu genial in ihrer „schöpferischen Zerstörung“:  

Design „Hope“ von Jianping He

2010 setzt er auf einem Plakat, mit dem verräterischen Titel „Hope“, das Porträt von Karl Marx aus zerknitterten Einkaufstüten zusammen. Marx wird zum Knüller, zum Fetisch der Konsumgesellschaft. Abgesehen von dieser neuen, fatalen Weltanschauung hat das Plakat eine geradezu altmeisterliche Anmutung, vergleichbar mit den manieristischen Portraits von Giuseppe Arcimboldo.

Zweitens gilt es ein Plakat von Jianping He zu feiern, das eigentlich „ohne Worte“ auskommt. Die Headline „Global Warming“ halte ich deshalb für eine Ausrede. Zu bewundern ist das Portrait des Türhüters der Verbotenen Stadt mit Aussicht auf den Platz des Himmlischen Friedens. Von Nahem betrachtet rinnen ihm fünf kunstvoll retuschierte Schweissperlen von den Wangen. Was aber, so fragen wir uns scheinheilig, bringt dieses Abbild ins Schwitzen? Ist es tatsächlich die globale Erwärmung des Planeten? Oder ist es die Sorge des Ersten Vorsitzenden um die Wandlungen der politischen Verhältnisse? Oder ist es gar „die Unerträglichkeit des Seins“ einer Ikone?

Drittens sei ein Buch erwähnt, das die Kunst, Kitsch zu produzieren, auf die Spitze treibt. Es hat den beziehungsvollen Titel „New Voices“ und ist weltweit das erste Buch mit vorwitzig abstehenden Ohren. Wörtlich betäubt referiert es die Arbeiten von Grafikdesignern, die man nur von Hörensagen kennt, bis sie 2004 in Beijing und 2005 in Berlin in die Alliance Graphique Internationale berufen werden.    

Außerdem ist Jianping He der Autor eines besonders lesenswerten Buches. Es ist seine Doktorarbeit, die er über Jahre „nebenbei“ an der Freien Universität Berlin schreibt. Auf 394 Seiten referiert er die  „Entwicklungsgeschichte des Plakates in China – vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Kulturrevolution„. Alles andere, was Herrn Dr. Jianping He sonst noch angedichtet wird, ist frei erfunden. Jianpng He ist weder ein entfernter Verwandter, noch ein Namensvetter von Admiral Zhèng He aus der Zeit der Ming-Dynastie, sondern allenfalls auf Deutsch ein gleich lautender Zuruf.  

2019

Prof. Uwe Loesch


geboren 1943 in Dresden, lebt seit 1958 in Düsseldorf und studiert dort Ende der Sechziger Jahre an der Peter-Behrens-Werkkunstschule Grafik-Design.
Nach seinem Studium arbeitet er als freier Grafiker und Texter für Verlage, Industrieunternehmen und zunehmend für soziale und kulturelle Institutionen. Museen, Festivals, Messen und Ausstellungen sowie das politische Kabarett, „Das Kom(m)ödchen Düsseldorf“, gehören zu seinen Auftraggebern. Als Teil umfangreicher Kampagnen und Aktionen entstehen zahlreiche Plakate.
Im Juni 1988 zeigt das Museum of Modern Art, New York mehrere seiner Arbeiten in der Jahrhundertausstellung The Modern Poster. 1989 wird er in die AGI Alliance Graphique Internationale berufen. Die Universität Wuppertal beruft ihn 1990 auf den Lehrstuhl für Kommunikationsdesign.

2003 findet nach über 30 Einzelausstellungen und mehr als 100 Ausstellungsbeteiligungen in aller Welt wieder eine Ausstellung seiner Arbeiten in einem deutschen Museum statt: „Uwe Loesch… nur Fliegen ist schöner.“ im PAN kunstforum niederrhein – eine Hommage an die Anziehungskraft des Mediums Plakat – am Niederrhein.

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